Ammoniakinfrastruktur in Deutschland
Masterthesis zu Potenzialen, Herausforderungen und Trends
Grünes Ammoniak wird als ein möglicher Bestandteil für eine klimaneutrale Energieversorgung angesehen. Als Werkstudent bei Sweco hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen meiner Masterarbeit gemeinsam mit der Technischen Hochschule Köln die Herausforderungen und Potenziale der energetischen Verwertung von grünem Ammoniak zu untersuchen. Dabei konnte ich eng mit den Expert*innen der Sweco GmbH zusammenarbeiten und wesentliche Einflussfaktoren des Themas in den Gesamtkontext einordnen. Im Blogbeitrag möchte ich wegweisende Erkenntnisse teilen und einen Einblick in das Thema geben.
Lösungsansatz für eine klimaneutrale Energieversorgung: Grünes Ammoniak – Kontexteinordnung
Die Bundesregierung möchte die Energieversorgung bis zum Jahr 2050 klimaneutral gestalten. Durch die fortführende Integration erneuerbarer Energien können einige Sektoren bereits nachhaltig elektrifiziert werden. Es wird jedoch auch in Zukunft weiterhin Prozesse geben, die nicht direkt elektrifizierbar sind. Dazu zählen beispielsweise Hochtemperatur-Verbrennungsprozesse in der Industrie und im Gewerbe, der Schwerlastverkehr oder die Langzeitspeicherung von Energie. Für diese Prozesse werden stoffliche Lösungen angestrebt, wie z. B. der Einsatz von grünem Wasserstoff.
Unterschiedliche Studien kommen allerdings zu dem Schluss, dass der regenerativ erzeugte Strom in Deutschland trotz des starken Ausbaus erneuerbarer Energien nicht ausreichen wird, um den gesamten Eigenbedarf an grünem Wasserstoff national bereitzustellen. Daher werden zusätzliche Wasserstoffimporte aus Übersee erwartet, die kostengünstiger und in größeren Mengen vor Ort produziert werden können. Beim Transport kann es jedoch ein Nachteil sein, dass Wasserstoff bei normalem Druck ein relativ großes Volumen im Vergleich zur enthaltenen Energiemenge beansprucht. Flüssiger Wasserstoff enthält dagegen beispielsweise 833-mal mehr Energie pro Volumeneinheit als gasförmiger Wasserstoff, während flüssiges Ammoniak sogar 1433-mal mehr Energiegehalt aufweist. Deshalb kann es sinnvoll sein, Konzepte zu nutzen, die es erlauben, Wasserstoff zu verflüssigen oder in andere chemische Verbindungen umzuwandeln (z.B. Ammoniak, Methan, LOHC), um den Transport effektiver und somit kostengünstig zu realisieren.
Vor allem aber zeichnet sich der Import von grünen Ammoniak ab. Die Chemikalie bringt zum einen den Vorteil mit sich, sowohl global als auch national bereits über eine Transportinfrastruktur zu verfügen, zum anderen planen Politik und Industrie innerhalb des nächsten Jahrzehnts drei Importterminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Hamburg aufzubauen. Die gegenwärtigen Strategien sehen vor, das in Deutschland angelandete Ammoniak anschließend wieder großflächig zu separieren und den daraus resultierenden reinen Wasserstoff über eine noch nicht vorhandene Infrastruktur zu den schwer elektrifizierbaren Prozessen (Endabnehmern) zu befördern. Angesichts langjähriger Expertise im Umgang mit fossilbasiertem Ammoniak und der bereits bestehenden Infrastruktur in Deutschland eröffnet sich jedoch eine weitere Möglichkeit: Indem grünes Ammoniak im Inland weiter transportiert und in geeigneten Prozessen direkt genutzt wird, lässt sich der energieintensive Umwandlungsschritt der Ammoniakspaltung unterbinden und ein kostenintensiver Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur vermeiden.
Visualisierung der Zusammenhänge einer Potenzialanalyse für grünes Ammoniak mit Illustration nach Jörg Adolf et al. (2019), „Verflüssigtes Erdgas – Neue Energie für Schiff und LKW“.
Der Ammoniakmarkt in Deutschland: Status quo und Potenzialanalyse
Ammoniak wird in Deutschland gegenwärtig fossilbasiert hergestellt, weitestgehend mit der Bahn transportiert und hauptsächlich in der Stickstoffdüngerproduktion angewendet. Zu geringeren Teilen wird es auch in Chemieparks zu Lösemitteln, Kunststoffen oder zum Beispiel für die Verwertung als Abgasreiniger weiterverarbeitet. In der Masterthesis wurden alternativ die Möglichkeiten der direkten Nutzung von Ammoniak als Co-Feuerung in Gasturbinen, als Treibstoff in der Güterschifffahrt und als Langzeitspeicher von Energie untersucht. Ein besonderes Potenzial (mittelfristige Realisierbarkeit) bietet die Nutzung als Treibstoff in der Schifffahrt, zumal es in diesem Themengebiet auch viele aktuelle Forschungsvorhaben gibt.
Die mit den alternativen Anwendungen einhergehenden Einflüsse auf die Variation der Angebots- und Nachfrageknotenpunkte wurden in eine eigens erstellte Modellierung der aktuellen Infrastruktur integriert, sodass zukünftige Trends und Prognosen als Interpretationsgrundlage verwertet werden konnten. Die Grafik zeigt beispielhaft eine zukünftig potenziell mögliche Verteilung der Ammoniaknachfrage und Angebotsknotenpunkte in Deutschland inklusive den zu erwartenden Importterminals. Dargestellt werden die Ammoniakproduktionsstandorte in Köln-Worringen, Brunsbüttel, Wittenberg und Ludwigshafen mit einem Umschlagsterminal in Rostock (Bestand) und den drei geplanten Importterminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Hamburg. Vertiefend kann die Modellierung auch Auskunft über eine theoretisch optimale Auswahl der Transportmittel geben, auf welche an dieser Stelle lediglich verwiesen wird.
Erkenntnisse eines expandierenden Ammoniakmarktes in Deutschland durch eine energetische Verwertung von Ammoniak
Die Risiken und Chancen, die mit einer erhöhten Implementierung von Ammoniak in das Energiesystem einhergehen, wurden in der Thesis ausführlich herausgearbeitet und können sektorenspezifisch abgewogen werden. Notwendige Transformationspfade der gegenwärtig fossilbasierten Ammoniakproduktion wurden tiefergehend beleuchtet. Weitere Erkenntnisse, wie beispielsweise mögliche rechtliche und wirtschaftliche Vorzüge der Integration des Ammoniaktransports innerhalb Deutschlands über den Binnenschiffsverkehr zeichnen sich ab, werden an dieser Stelle aber nur thematisch angeschnitten. Die größten Herausforderungen bei der energetischen Verwertung von grünem Ammoniak liegen in der Entwicklung von geeigneten Katalysatoren für die Reduzierung von Stickoxiden (Lachgas), die beim Verbrennungsprozess von Ammoniak auftreten können.
Die erarbeiteten Erkenntnisse können als grundlegende Handlungsempfehlungen für unterschiedliche Akteure im Ammoniakhandel wie beispielsweise Hafenbetreiber, Ammoniakproduzenten, Spediteure, Forschungseinrichtungen oder politische Institutionen angewendet werden. Durch die Analyse einer zukünftigen Verwertung von Ammoniak als Energieträger erweitert Sweco in Kooperation mit Hochschuleinrichtungen fortführend seine Expertise in maßgebenden Zukunftsthemen.