Circular City Transformation – 5 Wege und 15 konkrete Maßnahmen
Seit 50 Jahren markiert der Earth Overshoot Day das Datum, an dem die Nachfrage der Menschheit nach Ressourcen im Laufe eines Jahres das übersteigt, was die Erde im selben Jahr erneuern kann. Danach beginnt die globale Gemeinschaft natürliche Ressourcen zu verbrauchen, die sie sich von zukünftigen Generationen ausleiht. Vor 1970 benötigten wir nur einen Planeten – doch mittlerweile sind 1,7, da der Earth Overshoot Day letztes Jahr bereits am 29. Juli stattfand.
Im Jahr 2050 werden zwei Drittel aller Menschen in Städten leben. In diesem Urban Insight Report zeigen wir, dass Städte zwar Teil des Overshoot-Problems sind, sie aber gleichzeitig wichtige Impulse für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft geben können.
Die Kreislaufwirtschaft macht Städte zu einem Teil der Lösung. Es geht um einen systemischen und ganzheitlichen Ansatz, der der Gesellschaft soziale, ökologische und wirtschaftliche Vorteile bringt. Das Weltwirtschaftsforum schätzt, dass ein Umstieg von Business-as-usual auf naturverträgliche Lösungen bis 2030 jährlich rd. 10 Milliarden US-Dollar an Geschäftsmöglichkeiten und fast 400 Millionen Arbeitsplätze schaffen könnte.
In diesem Bericht zeigen wir, dass wir nach den Szenarien und Berechnungen unserer Expert*innen bis zu 75 % des gesamten Energiebedarfs in der zirkulären Stadt der Zukunft einsparen können. Der Schlüssel dazu ist eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Energie und Transportmitteln durch Zusammenarbeit über Wirtschaftssektoren und Eigentumsgrenzen hinweg.
Wir nennen das: Urbane Symbiose.
Das ökologische Dorf auf dem Wickevoort Anwesen, Niederlande
Kunde: AM
Designer/Architect: Studio PROTOTYPE, M3H Architects, MIX architecture
Ort: Cruquius, Niederlande
Swecos Leistungen: Civil engineering
© AM bv
Gemeinsam können wir handeln und den europäischen Städten den Weg zur Kreislaufwirtschaft ebnen.
Jedes Kapitel in diesem Bericht beschreibt einen möglichen Weg hin zur Circular City. Dabei unterstreicht jedes davon die fünf Vorgehensweisen, die wir als fundamentale Prozesse für die Entwicklung einer florierenden, lebenswerten und widerstandsfähigen Circular City identifiziert haben.
- Weg 1 – Veränderung der Denkweise: Die Stadt als gemeinsamer Raum
- Weg 2 – Ökologische Widerstandsfähigkeit: Die Stadt als Ökosystem
- Weg 3 – Track, Trace, and Connect: Die Stadt als Motor des Wandels
- Weg 4 – Steuerungsmaßnahmen: ‚Lessons learned‘ aus kreislauforientierten Städten
- Weg 5 – Systemisches Denken: Unsere Schlussfolgerung
Weg 1 – Veränderung der Denkweise
Die Stadt als gemeinsamer Raum
Auf Stadtebene wirkt sich die zirkuläre Transformation darauf aus, wie wir unsere gebaute Umwelt planen. So werden beispielsweise Gebäude und Grundstücke meist innerhalb ihrer Grenzen betrachtet, ohne dass die benachbarte Umgebung und die weiteren Bedingungen berücksichtigt werden. Hier spielen Grundstückseigentümer, Bauträger und Kommunen eine wichtige Rolle. Eine Haltung, die nur die eigene Perspektive betrachtet, schränkt das Entwicklungspotenzial eines Standorts und die Möglichkeiten zur Schaffung einer ausreichenden kritischen Baumasse für Kreislaufsysteme ein. Sie ist nicht nur ein technisches Hindernis, sondern stellt auch eine weitere Herausforderung für den Übergang dar: die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung von fragmentierten Praktiken hin zu gemeinsamen und integrierten Maßnahmen.
Auch wenn technische Überlegungen auf unserem Weg zur Kreislaufwirtschaft natürlich von entscheidender Bedeutung sind, sind die Probleme – und die erforderlichen Effizienzgewinne – zu komplex, um sie nur mit technischen Innovationen anzugehen. Die übergreifenden Prozesse und Designentscheidungen sind entscheidend.
Daher behaupten wir, dass ein wesentlicher Teil der Lösung im Allgemeinen übersehen wird: der soziale Aspekt. Um eine kreislauforientierte Umwelt zu schaffen, ist es entscheidend, strategisch zu planen, zu entwerfen und zu bauen, um die Anpassung der Gesellschaft an einen stärker zirkulären Lebensstil zu unterstützen. Wir werden keine neue Art des Wohnens, Arbeitens und Pendelns erreichen, wenn wir uns nur darauf konzentrieren, eine Lösung pro Grundstück oder Gebäude zu finden. Stattdessen müssen wir auf eine Strategie für die Entwicklung von zirkulären Quartieren hinarbeiten, die Nachbarschaften dazu ermutigt, ihre kreislauforientierten Strategien zu verbessern, und die Anreize für Verhaltensänderungen schafft.
Unsere Circular City im Jahr 2040 – wenn die Vision der urbanen Symbiose Wirklichkeit wird
Laut Szenarien und Berechnungen der Sweco Expert*innen können wir in der zirkulären Stadt der Zukunft bis zu 75 % des gesamten Energiebedarfs einsparen. Der Schlüssel dazu ist eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Energie und Transportmitteln durch Zusammenarbeit über Wirtschaftssektoren und Eigentumsgrenzen hinweg.
Wir nennen das: Urbane Symbiose.
Mithilfe von KI und digitalen Zwillingen haben wir den Wert verschiedener Ressourcen, wie z. B. energieeffizienter Architektur und neuer Gebäude, lokal erzeugter und gemeinsam genutzter Energie sowie vollumfänglicher Shared Mobility, geschätzt.
Der Gesamtenergiebedarf der Circular City pro Quadratmeter beträgt dann im Jahr 2040 nur noch ein Viertel im Vergleich zu heute. (Wärme + Strom = 113 KWh/qm im Jahr 2020 und nur 28 KWh/qm im Jahr 2040).
Wir haben unsere Berechnung auf den Näringen Circular City District gestützt, ein geplantes kreislauforientiertes Sanierungs- und Stadtentwicklungsprojekt in Gävle, Schweden. Mit 6.000 Wohneinheiten dient dieser Bezirk als Beispiel für eine kleine bis mittelgroße Stadt, die expandiert und dennoch die Klimaziele erreicht. Wir sind davon ausgegangen, dass die Einwohnerzahl bis 2040 auf etwa 90.000 steigen wird.
Weg 2 – Ökologische Widerstandsfähigkeit
Der Mensch ist das einzige Lebewesen auf diesem Planeten, das weiß, was Abfall ist. Alle anderen Lebewesen sind Teil eines Kreislaufs, in dem nichts verschwendet und jede Ressource wiederverwendet wird.
Nach Angaben des Global Footprint Network (GFN) überstieg am 29. Juli 2021 die Nachfrage und Entnahme natürlicher Ressourcen durch die Menschheit die Geschwindigkeit, mit der sich der Planet in einem einzigen Jahr regeneriert (Overshoot Day). Der Schwerpunkt liegt auf den schrumpfenden Kapazitäten der Ökosysteme (vor allem Wälder, Feuchtgebiete und Grundwasserreserven), die unser konsumgesteuertes Modell aufrechterhalten. Dabei wird ein wichtiger Aspekt oft übersehen: Die ökologische Regeneration.
Um zukünftig ein gesundes Maß an städtischem Grün zu planen, wurde die 3-30-300-Regel von Cecil Van Konijnendijk, Professor für städtische Forstwirtschaft an der UBC, als Vorschlag hervorgerbacht: Jeder sollte von seinem Haus aus drei Bäume sehen können, in einem Viertel mit einem Baumbestand von mindestens 30 % leben und nicht weiter als 300 m von der nächsten Grünfläche entfernt sein, die vielfältige Freizeitaktivitäten ermöglicht.
Der selbsterhaltende Metabolismus einer Stadt
Wir können uns kreislauforientierte Stadtplanung als Analogie zum Metabolismus eines Ökosystems vorstellen. Die Planungsgrundlage definiert ein autarkes System ohne Abfall.
Naturkapital ist ein Grundsystem im Metabolismus einer städtischen Region, und als solches sollte es bei der Planung, Gestaltung und Konstruktion von Städten und ihrer Infrastruktur darum gehen, die Stadt mit ihren natürlichen Grundlagen zu verbinden.
Die Rolle von Ökosystemleistungen in einer resilienten Stadt
Warum ist die Natur wertvoll für uns? Diese scheinbar offensichtliche Frage steht im Mittelpunkt aller Bemühungen um eine nachhaltige und widerstandsfähige Raumentwicklung. Viele Initiativen, Thinktanks und Instrumente ermöglichen es uns, die unzähligen Leistungen zu verstehen, die Ökosysteme für uns erbringen können.
In der Vergangenheit haben technische Innovationen darauf abgezielt, Ökosystemleistungen durch vom Menschen geschaffene Pendants zu ersetzen, z. B. durch eine Abwasser- und Strominfrastruktur. Obwohl diese bahnbrechend für die Verbesserung unserer Gesundheit und unseres Wohlbefindens im Zeitalter der Industrialisierung waren, förderten sie eine technokratische Sichtweise, die uns daran hindert, die Vorteile eines natürlicheren Ansatzes zu verstehen.
Wir müssen natürliche Ökosysteme in unsere Städte integrieren, um die großen Werte zu nutzen, wie z. B. das Potenzial der Vegetation zur Reinigung von Luft oder kontaminiertem Wasser oder die Rückhaltung von Wasser zur Vermeidung von Überschwemmungen. Die Schaffung von Raum für grüne und blaue Infrastrukturen in Straßen, öffentlichen Räumen und Gebäuden ist ebenfalls Teil einer gesundheitsfördernden Stadt, die eine bessere Lebensqualität bietet.
Weg 3 – Track, Trace and Connect
Wussten Sie, dass ein Drittel aller städtischen Abfälle, die heute in Europa anfallen, aus Abbrucharbeiten stammen? Welche Instrumente bräuchte eine Circular City, um an diesen Abfall heranzukommen und Müll in Geld zu verwandeln? In diesem Kapitel gehen wir auf zwei Instrumente ein, damit Städte zu einer Circular City werden können. Diese Werkzeuge ermöglichen die Koordinierung von Handelskammern, Kommunen und anderen Akteuren und Ressourcenströmen, um das öffentliche Bewusstsein, die Zugänglichkeit und die Konnektivität zu verbessern.
Vorteile des Wandels zur Kreislaufwirtschaft
Der schrittweise Übergang zu einem Kreislaufwirtschaftssystem ist ein unverzichtbarer Bestandteil der zukünftigen Städte Europas. Laut Schätzungen einer aktuellen Studie hat die Anwendung der Grundsätze einer Kreislaufwirtschaft das Potenzial, das EU-BIP um 0,5 % zu steigern. Dies entspricht bis 2030 mehr als 77 Mrd. EUR und rund 700.000 neuen Arbeitsplätzen. Sowohl für kreislauforientierte Städte als auch für Unternehmen liegen die Vorteile auf der Hand, da Produktionsbetriebe in der EU im Durchschnitt etwa 40 % ihrer Ausgaben für Materialien aufwenden. Kreislaufmodelle können die Unternehmensrentabilität steigern und sie gleichzeitig vor Preisschwankungen bei Ressourcen schützen, wie dies z. B. während der Pandemie der Fall war.
Von Schrott zu Schatz
Ein kreislauforientiertes Abfallsystem stärkt die Wirtschaft, ob in der Stadt oder auf dem Land. Geld und Materialien zirkulieren im gesamten Gebiet und gleichzeitig schafft es Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen.
Die Umsetzung solcher Systeme erfordert ein Netzwerk, das die Verbindungen zwischen Ressourcen, Produktion und Verbrauch koordinieren kann. Digitale Werkzeuge können die notwendige Konnektivität innerhalb des Systems erhöhen und Überwachungsprozesse und Beziehungen zwischen den Interessengruppen und Kreislaufressourcen erleichtern. Einige Beispiele für Instrumente der Kreislaufwirtschaft sind Materialpässe, intelligente Logistik und systemische Kartierung.
Potenzieller Markt und Innovation
Aufbauend auf dem gemeinsamen Markt der EU und dem Potenzial digitaler Technologien, kann die Kreislaufwirtschaft die industrielle Basis der EU stärken und die Gründung von Unternehmen und den Unternehmergeist von KMU fördern. Innovative Modelle, die auf einer engeren Beziehung zu den Kunden und einer kollaborativen Sharing Economy basieren, werden nicht nur die Kreislaufwirtschaft, sondern auch die Dematerialisierung unserer Wirtschaft beschleunigen und Europa unabhängiger von Primärmaterialien machen. Eine Kreislaufwirtschaft erfordert die Weiterentwicklung eines soliden Überwachungsrahmens, der dazu beiträgt, das Wohlbefinden über das BIP hinaus zu messen.
Weg 4 – Steuerungsmaßnahmen
Erkenntnisse aus kreislauforientierten Städten
Um die Dringlichkeit zu unterstreichen, haben einige EU-Mitgliedstaaten begonnen, Regierungspläne für die Kreislaufwirtschaft zu formulieren.
- 20 von 27 EU-Mitgliedstaaten haben einen Regierungsplan für die Kreislaufwirtschaft.
- 26 % davon wurden in den letzten zwei Jahren veröffentlicht.
- 58 % von ihnen wurden im vergangenen Jahr veröffentlicht.
Zwei europäische Städte, Amsterdam und Glasgow, haben mit Interessengruppen zusammengearbeitet, um Fortschritte bei der Umsetzung erfolgreicher Strategien für die Kreislaufwirtschaft zu erzielen.
Amsterdam
Wenn es um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft geht, ist Amsterdam weltweit führend. Im Jahr 2017 erhielt die Stadt den World Smart City Award für ihren bahnbrechenden Ansatz der Kreislaufwirtschaft, insbesondere für ihre Bemühungen um die lokale Stromerzeugung, die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und die effizientere Wiederverwertung von Abfällen.
Glasgow
Die Stadt Glasgow befasst sich mit den komplexen Problemen, die in der Denkweise einer Wegwerfgesellschaft verankert sind. Das Konzept, das der Kreislaufwirtschaft zugrunde liegt, ist nicht neu: „Dinge haltbar machen“ und „Flicken und Reparieren“ waren schon in früheren Generationen gängige Mottos. Die Prinzipien, lokal zu produzieren, die Lebensdauer von Materialien zu verlängern, Gegenstände zu pflegen und zu reparieren und schließlich wiederzuverwenden, unterstützen die Stadt auf ihrer grundlegendsten Ebene.
Europa
Im April 2022 gab die Europäische Kommission 100 Städte bekannt, die an der EU-Mission für klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030 teilnehmen. Diese Städte können unsere Checkliste als eines der Instrumente nutzen, um den notwendigen Wandel zu beschleunigen.
Weg 5 – Systemisches Denken
Der nächste Schritt
In diesem Bericht haben wir hervorgehoben, wie wichtig es ist, einen ganzheitlichen Ansatz für den Übergang von komplexen Systemen wie unserer städtischen Umwelt zu wählen. Wir hoffen, dass wir Sie dazu inspiriert haben, die empfohlenen Wege zu beschreiten, um eine Circular City zu werden und dazu beizutragen, dass der Earth Overshoot Day überflüssig wird.
Indem Sie eine umfassendere Perspektive einnehmen, können Sie eine Vielfalt an Möglichkeiten nutzen, die mit dem Übergang einhergehen. Es ist von grundlegender Bedeutung, verschiedene Kontexte und Maßstäbe, unterschiedliche Ressourcen und Interessengruppen sowie die vielfältigen Kreislaufstrategien zu berücksichtigen, die von Abfall bis hin zu Wiederverwendung oder Recycling angewandt werden können.
Um einen echten Wandel herbeizuführen, müssen wir von Einzel- zu koordinierten Maßnahmen übergehen, die systemische Synergien fördern. Wir müssen den Übergang als einen Multi-Stakeholder-Prozess angehen, der verschiedene Interessengruppen berücksichtigt und einbindet. Gemeinsam können wir Lösungen entwickeln und einführen und so zu Vorreitern auf dem Weg zur Klimaneutralität werden. Auf diese Weise können wir den Overshoot Day verhindern und Städte zirkulär gestalten.