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02/04/2024

Lesezeit 10min

Gina Borchert

Gina Borchert

Marketing & Kommunikation

Digitale Transformation im Bauwesen – Wie BIM die Baubranche nachhaltig verändert

Ein Interview über die Bedeutung von BIM und Innovation in der Planung

Mit BIM (die Abkürzung steht für „Building Information Modeling“) können Architekt*innen, Ingenieur*innen und Bauunternehmen digitale Darstellungen von Bauwerken erstellen, die nicht nur visuell beeindrucken, sondern auch reich an relevanten Daten sind. Aber wie wirkt sich BIM auf die tägliche Arbeit aus? Wie können Unternehmen BIM effektiv implementieren und welche Hürden müssen sie überwinden? Im Interview verraten unsere Kolleg*innen Arne Löper und Melanie Rust, warum sie gerade dabei sind, ein ganz neues Team für BIM-Leistungen aufzubauen und wieso die Baubranche an dem Thema in Zukunft nicht mehr vorbeikommt.

Vielen Dank, dass ihr uns für ein Interview zur Verfügung steht. Könnt ihr euch bitte kurz vorstellen und uns einen Einblick in eure berufliche Laufbahn und die Rolle im Team geben?

Melanie: Gerne, ich bin Bauingenieurin und bereits seit 30 Jahren bei Sweco. Ich habe umfangreiche Erfahrungen in der Objekt- und Tragwerksplanung im Ingenieurwasserbau, Ingenieurbau für den Bahn- und Straßenbau in allen Leistungsphasen. In meiner Zeit im Unternehmen habe ich viele Großprojekte begleitet, wie etwa den Dortmund-Ems-Kanal oder die Schleuse Uelzen (im Jahr 2000 auch schon in 3D). Seit 2016 beschäftige ich mich intensiver mit dem Thema BIM, als Fachreferentin und Fachkoordinatorin. Aktuell bin ich u. a. als Gesamtkoordinatorin für Projekte wie den Ausbau der Bahnstrecke Ulm – Augsburg oder den Ausbau Weser-Datteln-Kanal bis Marl tätig und baue mit Arne zusammen das neue BIM-Team auf.

Melanie Rust

Arne: Ich bin studierter Architekt, Stadtplaner, Urbanist und Finanzwirt. Meine gesamte berufliche Laufbahn über habe ich in international renommierten Architekturbüros gearbeitet, immer mit einem starken entwurflichen Schwerpunkt. Mit BIM befasse ich mich schon seit 2009. Als ich vor drei Jahren bei Sweco im Geschäftsfeld Architektur angefangen habe, habe ich dort die Themen BIM und Digitalisierung übergeordnet geleitet. Mittlerweile bin ich Teamleiter und kümmere mich um den Aufbau des neuen Teams BIM | Digital Solutions.

Building Information Modeling (BIM) ist ein Begriff, der in der Baubranche immer mehr an Bedeutung gewinnt. Könnt ihr BIM kurz definieren und erläutern, worin die Hauptunterschiede zu traditionellen Bauprozessen bestehen?

Melanie: Building Information Modeling (BIM) unterscheidet sich von der konventionellen Planung vor allem durch einen ganzheitlichen Ansatz, der den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks berücksichtigt. BIM konzentriert sich auf eine datenzentrierte Planung, bei der sämtliche Informationen – von geometrischen Daten bis hin zu Nachhaltigkeitskennzahlen wie dem CO2-Fußabdruck – in einem dreidimensionalen Modell zusammenlaufen.

Arne: Die BIM-Methode steht im Zentrum der Digitalisierung im Bauwesen. Sie im Unternehmen in der täglichen Praxis zu etablieren, wird unser vordringlichstes Handlungsfeld sein. BIM allein ist nicht hinreichend, um uns fit für die Zukunft zu machen, jedoch eine notwendige Voraussetzung in den meisten Fachdisziplinen bei Sweco. In einem BIM-Modell besteht jedes Bauteil, häufig auch als Entität bezeichnet, aus einer 3D-Geometrie sowie aus beschreibenden Eigenschaften. Diese können zum Beispiel der Bauteiltyp, die Verortung, das Tragverhalten, die Größe, das Material usw. sein. Die Kombinatorik aus Geometrie und Eigenschaften bringt die große Chance, komplexe Prozesse im Bauwesen erheblich zu vereinfachen sowie lästige, häufig fehlerbehaftete Routinen und Tätigkeiten zu automatisieren. Wenn ich von BIM rede, schwingt immer viel Konjunktiv mit, denn die Art und Weise, wie Software eingesetzt, BIM-Prozesse genutzt und Modelle erstellt werden, hat einen großen Einfluss auf die Ergebnisse. Eine Softwareschulung reicht einfach nicht aus, um die Methode zu verstehen.

„Vereinheitlichen, vereinfachen, integrieren, trainieren“ – Das ist unser Motto.

Das neue Team BIM | Digital Solutions gibt es bei Sweco Deutschland erst seit ein paar Monaten. Welche Überlegungen standen hinter der Entscheidung, ein neues BIM-Team aufzubauen?

Arne: „Vereinheitlichen, vereinfachen, integrieren, trainieren“ – Das ist unser Motto. Es klingt zwar wie ein Werbeslogan, jedoch verbirgt sich dahinter eine sehr weitgreifende und komplexe Aufgabe. Was wir anstoßen möchten, ist ein planerischer Kulturwandel, digital und integrativ. Wir wollen ein einheitliches Verständnis von BIM als Grundlage der Digitalisierung schaffen. Ein weiteres Ziel ist es, dass wir den internationalen Austausch fördern und vorantreiben möchten.

Letzten Endes lässt sich unsere Kernaufgabe wie ein Tannenbaum oder eine Armbewegung beim Brustschwimmen beschreiben. Zuerst kommt die Streckung in die Tiefe einer Innovation oder einer Methode und anschließend folgt die Bewegung bzw. Anwendung in der Breite unserer Teams.

Melanie: Genau, wir möchten Synergien schaffen und Prozesse standardisieren. Uns geht es darum, die Digitalisierung voranzutreiben und die Grundlagen dafür allen im Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Digitalisierung heißt für mich, dass wir die umfassende Unterstützung durch Computer nutzen, um Arbeitsprozesse zu vereinfachen und zu verbessern. Sie haben das Potenzial, eine breite Palette an Aufgaben zu übernehmen, was es uns ermöglicht, unsere Ressourcen besser einzusetzen und uns auf strategische Ziele zu konzentrieren.


Was sind die kurzfristigen und was sind die langfristigen Ziele, die ihr für euer Team habt?

Arne: Wie ich es schon zuvor erwähnt habe, verfolgen wir unterschiedliche Handlungsstränge. Neben der Beschäftigung mit unseren Prozessketten, unserer Softwarelandschaft sowie der Erstellung von Arbeitshilfen gilt unsere Aufmerksamkeit dem Aufbau einer zentralen Plattform und Wissensbasis für das gesamte Unternehmen. Diese Plattform wird nicht nur dazu beitragen, Informationen und Ressourcen zu BIM schnell und effizient zugänglich zu machen, sondern auch die Vernetzung und den Austausch zwischen den Kolleg*innen fördern.

Langfristig müssen wir natürlich immer auf dem neuesten Stand bleiben und die aktuellen Entwicklungen der Digitalisierung im Blick behalten. Dazu gehört auch, neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) in der Planung oder den Digital Twin (Digitalen Zwilling), den die schwedischen Kolleg*innen bei Sweco schon erfolgreich implementiert und vorangetrieben haben. Unser Ziel ist es, diese fortschrittlichen Technologien aus Skandinavien und anderen Märkten zu adaptieren und sie effektiv in den deutschen Markt zu integrieren. Dadurch können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und unseren Kunden zugleich modernste Lösungen anbieten. Die kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung unserer modellbasierten Planungsprozesse wird jedoch eine Daueraufgabe bleiben.

Meine persönliche Erfahrung aus über 10 Jahren der BIM-Implementierung hat gezeigt, dass Mitarbeitende, die einmal an einem BIM-Projekt mitgearbeitet haben, nicht mehr zur altherkömmlichen Planung zurück möchten.

Die Implementierung von BIM stellt Unternehmen oft vor Herausforderungen. Welche sind eurer Erfahrung nach die gängigsten Hindernisse und wie kann man diese effektiv angehen?

Melanie: Die Einführung von BIM kann herausfordernd sein, wobei der Respekt vor Neuem und Veränderungen oft eines der größten Hindernisse darstellt. Eine gewisse Zurückhaltung gegenüber neuen Technologien ist menschlich und in vielen Unternehmen tief verwurzelt. Um diese zu überwinden, ist es wichtig, die Vorteile und Potenziale von BIM klar zu kommunizieren, um das Vertrauen in die Technologie zu stärken und zu verdeutlichen, wie BIM den Arbeitsalltag erleichtert und letztlich die Effizienz und Qualität der Projekte steigern kann.

Arne: Da habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Mensch steht immer im Mittelpunkt, auch bei der Digitalisierung. Um BIM und anderen Technologien erfolgreich zu nutzen, ist es entscheidend, einen einfachen Zugang zu schaffen und sie in den Arbeitsalltag zu integrieren. Veränderungen können unbequem sein, vor allem in einer Zeit, in der große Themen wie Klimawandel, Digitalisierung und Nachhaltigkeit uns herausfordern. Deshalb ist es wichtig, Veränderungen Schritt für Schritt anzugehen, um die Komplexität zu reduzieren. Wir möchten Vorurteile und Barrieren aus dem Weg räumen und die spannenden Möglichkeiten aufzeigen, die sich durch neue innovative Ansätze ergeben. Deshalb haben wir bei der Zusammenstellung unseres Teams ein großes Augenmerk darauf gerichtet, dass alle Kolleginnen und Kollegen über viel praktische Projekterfahrung verfügen und wissen, worüber sie reden. Meine persönliche Erfahrung aus über 10 Jahren der BIM-Implementierung hat gezeigt, dass Mitarbeitende, die einmal an einem BIM-Projekt mitgearbeitet haben, nicht mehr zur altherkömmlichen Planung zurück möchten.


BIM hat das Potenzial, die Art und Weise, wie verschiedene Stakeholder in Bauprojekten zusammenarbeiten, zu revolutionieren. Könnt ihr kurz darlegen, wie BIM die Kollaboration zwischen Architekt*innen, Ingenieur*innen und Bauunternehmen verbessern kann?

Melanie: Durch die Integration von BIM können Architekt*innen, Ingenieur*innen und Bauunternehmen ihre Herangehensweisen effizienter gestalten und somit schneller ihre Ziele erreichen. Die Digitalisierung ermöglicht es, bereits in den frühen Leistungsphasen präzise Abläufe zu simulieren und zu optimieren. Bauunternehmen können von Beginn an in das Projekt eingebunden werden, was zu einer erheblichen Kostenreduktion führt. Zudem bietet BIM mehr Transparenz. Das erlaubt es jedem Projektbeteiligten, unabhängig vom Zeitpunkt seines Einstiegs in das Projekt, den aktuellen Stand nachzuvollziehen

Arne: Auch hier gilt wieder: BIM ist eine Methode und Menschen sind Menschen. Es geht darum, das Silodenken zu überwinden und eine kooperative und kollaborative Arbeitsweise zu etablieren. Als Methode kann BIM ein großes Hilfsmittel sein und hat zweifellos das Potenzial, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren in Bauprojekten zu transformieren. Wir brauchen nach wie vor einen Kulturwandel in der Planung, um das Potenzial vom BIM voll auszuschöpfen. Da sind wir aber auf einem guten Weg. 


Gibt es aktuell spannende Projekte, an denen euer Team gerade arbeitet? Oder gab es in der Vergangenheit ein Projekt, das euch besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Arne: Kürzlich haben wir ein neues Projekt gewinnen können: Wir übernehmen die Generalplanung für den Neubau eines Betriebshofes für Elektrobusse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Die Planungen wickeln wir durchgängig als BIM-Projekt ab. Die Herausforderung liegt in der extrem kurzen Planungs- und Bauphase sowie in der komplexen Aufgabenstellung. Trotzdem ist das Projekt unfassbar spannend, und dank eines großartigen Teams macht mir die Arbeit riesigen Spaß. Für mich ist es eine große Freude zu sehen, wie Kolleginnen und Kollegen, die zuvor noch kaum Berührungspunkte mit BIM hatten, plötzlich über sich hinauswachsen und mich ständig überraschen. Es gibt mir eine große Zuversicht, dass wir die Herausforderungen, die uns bevorstehen, bei Sweco meistern werden, sofern wir neugierig und aufgeschlossen gegenüber Veränderungen bleiben.

Ein weiteres Projekt, das mir besonders am Herzen liegt, ist die Modernisierung eines Gebäudekomplexes der Deutschen Rentenversicherung in Berlin. Hier arbeiten wir mit Punktwolken im Gebäudebestand und betreten für uns viel Neuland, denn der Bauherr hat sich entschieden, im Nachgang ein BIM-Projekt daraus zu machen. Das bringt zwar einige Herausforderungen mit sich, aber genau das ist es, was jedes Projekt einzigartig und unseren Beruf so reizvoll macht.

Melanie: In der Tat gibt es einige spannende Projekte, an denen wir derzeit arbeiten. Eines der herausragenden ist das Großprojekt Ulm-Augsburg, bei dem wir in einer Ingenieurgemeinschaft die Gesamtkoordination für die Hälfte der Strecke/für 40 km Strecke übernehmen. Die Bahnstrecke zwischen Ulm und Augsburg ist eine der meistbefahrenen Strecken im Süden Deutschlands und soll ausgebaut werden, um mehr Kapazitäten zu schaffen und die Reisezeit zwischen den beiden Städten zu verkürzen.

Ein weiteres bemerkenswertes Projekt ist der Wesel-Datteln-Kanal, bei dem wir ebenfalls in einem Ingenieurteam arbeiten. Das ist einer der wichtigsten und verkehrsreichsten Schifffahrtskanäle Deutschlands und wir erarbeiten an drei Standorten die Planung für den Ersatzneubau der Schleusen und der Pumpwerke. Die gute Teamarbeit ist hier besonders. Jeder bringt unterschiedliche Software und Herangehensweisen mit ein, was nicht nur für Abwechslung sorgt, sondern auch große Herausforderungen für die Koordination mit sich bringt.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke in die Arbeit mit BIM und viel Erfolg beim Aufbau des neuen Teams!

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