Vermessung mit dem Smartphone – Zukunftsmusik?
Das Smartphone gewinnt in immer mehr Lebensbereichen an Bedeutung. Diese kleinen tragbaren Computer verhalten sich durch eine große Zahl an Apps und Gadgets sehr vielseitig. Entsprechend ist wenig verwunderlich, dass sie auch in der Vermessung ihre Anwendungen finden. Im Außendienst dienen Telefone längst der ergänzenden Datenaufnahme in Form von Bildern oder kleinen Textmemos. Jetzt durfte ich im Team Vermessung Nord am Standort Bremen testen, wie weit sie sich in unsere Messarbeiten integrieren lassen.
Smartphone als einziges Hilfsmittel für Messungen
„Vaira“ heißt eine kleine Wunderapp, welche verspricht, Messungen mit dem Smartphone als einziges Hilfsmittel zu ermöglichen. Sie verwendet Daten verschiedener Sensoren des jeweiligen Handys, um Lageveränderungen des Gerätes selbst zu erkennen und die relative Lage von Oberflächen der näheren Umgebung zu ermitteln. Auf diesen Oberflächen können Punkte anvisiert und auf Knopfdruck mit örtlichen Koordinaten aufgenommen werden. Die Bedienung gestaltet sich hier ähnlich einer Fotoaufnahme mit dem Smartphone.
In der App wird nach der Messung automatisch eine kleine Skizze der aufgenommenen Punkte erstellt. Diese ist minimalistisch und benötigt definitiv noch Nachbearbeitungen, bevor sie einem Kunden vorgelegt werden kann. Da die Zuordnung von Attributen zu Punkten und Linien möglich ist und Bilder zu jedem Punkt gespeichert werden, entsteht jedoch ein recht komplettiertes Bild der aufgenommenen Daten und es ist lediglich eine optische Aufbereitung notwendig. Der Datenfluss gestaltet sich nahtlos, da beendete Messvorgänge direkt über das Internet an den Innendienst gesendet werden können. Dort sind sie über eine Vaira-Office-Anwendung für den Browser aufrufbar.
In der Messung sind Kameras, Bewegungssensor, Gyroskop und bestenfalls auch LiDAR-Scanner des verwendeten Smartphones eingebettet. Letztere sind bislang nur in den neusten iPhone-Generationen vorhanden. Da die Lageabweichungen in den aufgenommenen Punkten primär von der Technik des Handys bestimmt wird, lässt sich grob sagen, dass mit moderneren Geräten genauere Ergebnisse erzielt werden können. Die tatsächlich erreichten Abweichungen hängen allerdings auch von Umgebungsfaktoren ab und können von Messung zu Messung variieren. So sollte die Ausdehnung von Messstrecken 25m nicht überschreiten, die Wetterverhältnisse müssen stimmen und es sollte sich an möglichst unbewegten, heterogenen Objekten orientiert werden. Die über die Bewegungssensoren bestimmten Positionsveränderungen des Gerätes werden durch einen Algorithmus über wieder erkannte Oberflächen verbessert, welche dafür allerdings auch vorhanden sein müssen und sich starr verhalten sollten.
Mehrere Vergleichsmessungen an Hausanschlüssen mit einem iPhone 13 Pro gegenüber gängigen Messgeräten (Tachymeter, Distanzmesser etc.) ergaben Standardabweichungen zwischen 10 und 20cm. Dabei ist zu erwähnen, dass in diesen Werten Haltedifferenzen mit inbegriffen sind. Diese können bei der Kabel- und Leitungsaufnahme mit ihren großen Bauteilen bis 10cm beinhalten. Damit ist praktisch belegt, dass sich die Vaira-App durchaus für kleine Messungen geringer Genauigkeit, beispielsweise bei Hausanschlüssen oder für ergänzende Maße in topographischen Aufnahmen, zuverlässig verwenden lässt. Die Tests haben allerdings ebenso hervorgebracht, dass die Abweichungen mit steigender Ausdehnung des Messgebietes exponentiell zunehmen. Dieser Effekt kommt bei eintönigen Umgebungen besonders stark zum Tragen. Solche Messungen mit über 40m Ausdehnung wiesen Standardabweichungen von über 50cm auf und ließen sich somit lediglich zum Aufzeigen topologischer Zusammenhänge verwenden.
Zeiteffiziente Messungen
Die Datenaufnahme konnte bei allen Messungen durch das Smartphone eher beendet werden als über die üblichen Messverfahren. Dieser Vorteil in der Zeiteffizienz ergibt sich vermutlich durch die Einfachheit des Verfahrens: Man spart Zeit für das Zusammenbauen und Aufstellen von Geräten, etwaige Stationierungen oder Probleme mit dem GNSS-Empfang, Skizzenanfertigungen und Ähnliches. Zumindest das Programm der Vaira-App scheint allerdings auch nur auf kurzzeitige Messungen ausgelegt zu sein. Die gesammelten Daten werden bis zum Moment der Fertigstellung einer Skizze nur in einem Zwischenspeicher abgelegt und nicht endgültig gesichert. Bei Unterbrechungen im Prozess, beispielsweise durch gewöhnliche Anrufe, kommt es zum Datenverlust und der Messvorgang muss neu begonnen werden. In diesem Punkt ist die Software noch nicht ausgereift.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aufnahme von Geodaten mit dem Handy vor allem bequem, einfach und rapide ist. Annähernd jeder Vermesser trägt ein Dienstsmartphone mit sich in der Tasche, es ist schnell betriebsbereit und die Messung entsprechend zügig und mühelos durchgeführt. Der Datenfluss über das Internet sorgt meist für eine sofortige Möglichkeit der Weiterverarbeitung im Innendienst und ist schwer zu überbieten. Gegen den standardmäßigen Einsatz dieser Technologie spricht aktuell jedoch, dass die meisten Handys noch nicht über ausreichend genaue Sensoren verfügen. Außerdem hat das Verfahren in den Tests vermutlich stark vom integrierten LiDAR-Scanner profitiert, welcher noch gar nicht standardmäßig in Smartphones verbaut ist. Weitere Probleme gibt es mit dem Volumen von Datenübertragungen, welche die aktuellen Kapazitäten vieler Internetflats regelrecht sprengen. Außerdem scheint das Verfahren bei Messungen größerer Ausdehnung an jeder relevanten Genauigkeitsvorgabe zu scheitern. Es ist also noch ein weiter Weg, bis das Handy das Tachymeter ablösen kann. Diese Form der Datenaufnahme birgt jedoch unbestreitbar großes Potential, den zeitlichen und physischen Aufwand kleiner Messaufgaben zu minimieren.
Das Kerngeschäft des Bereiches Vermessung im Haus der imp GmbH umfasst vermessungstechnische Arbeiten im Rahmen der Leitungsdokumentation. Das beinhaltet u.a. die Aufnahme vieler einzelner Hausanschlüsse in Form von Messungen geringen Umfangs und geringer Ausdehnung. Da die Vaira-App für eben solche Arbeiten entwickelt wurde, möchten wir in den kommenden Monaten im Rahmen einer Bachelorarbeit untersuchen, wie wir diese App in unsere bestehenden Prozesse einbetten können und ob sie unseren Außendienstlern schon bald die Arbeit erleichtern kann.