Stadtquartiere von morgen

Gestaltung von Klimaresilienz in städtischen Räumen

Werden unsere Städte den zunehmenden Klima- und Gesundheitsrisiken wie Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Überschwemmungen standhalten können? Können wir Klimalösungen in lebenswerte Stadtquartiere integrieren und gleichzeitig mehr Menschen unterbringen?

Eine Studie von Sweco, die Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der Wirtschaft zusammenführt, zeigt, dass eine nachhaltige, intelligente Stadtentwicklung, kombiniert mit gezielten Klimaschutzmaßnahmen, das scheinbar unmögliche schaffen kann: Sowohl die Einwohnerzahl als auch Arbeitsplätze und Grünflächen lassen sich um 100 % erhöhen während gleichzeitig Lebensqualität und Klimaresilienz verbessert werden.

Dieser Urban Insight-Artikel befasst sich mit dem Stadtquartier der Zukunft. Vor welchen Herausforderungen könnte ein Quartier im Jahr 2050 stehen? Wie könnte ein solches Stadtquartier einem zunehmend extremen Klima standhalten?

„Stadtquartiere von morgen“ wirft einen Blick darauf, wie eine wirklich lebenswerte Stadt der Zukunft aussehen könnte. Es werden Vorschläge gemacht, wie wir die Lebensfähigkeit messen und wie wir sie durch fortschrittliche Technologien, Daten und intelligente Planung erreichen könnten.

Städte im Wandel

Wie werden unsere Städte im Jahr 2050 und darüber hinaus aussehen? Werden sie überfüllt sein und wird unser Leben nur noch von Stress geprägt sein? Werden unsere Stadtquartiere auch bei extremem Wetter lebenswert sein?

Unsere Städte wachsen in einem rasanten Tempo, was uns neue Herausforderungen und Chancen bringt und neue Maßnahmen erfordert. Die Auswirkungen der Urbanisierung zeigen, dass unser kollektiver Erfolg bei der Weiterentwicklung der Städte alle betreffen wird – auch diejenigen, die außerhalb der Städte leben.

Diese wichtigen Megatrends, die die Zukunft unserer Städte beeinflussen (Quelle: Greg Clark / UN Habitat 2016), geben uns einen Hinweis auf die Zukunft:

 

5 Megatrends, die Städte auf der ganzen Welt prägen

Stadtverdichtung

Um dem Wachstum Rechnung zu tragen und nachhaltige Städte zu entwickeln, haben viele Regierungen die Planungsstrategie der Verdichtung bestehender städtischer Gebiete adaptiert, wenn auch oft gepaart mit einer gezielten Stadterweiterung. Die Verdichtung findet oft in der Nähe von Arbeitsplätzen und Dienstleistungen statt, in ehemaligen Industriegebieten und in der Nähe von bestehenden oder neuen öffentlichen Verkehrsmitteln mit erheblichen Kapazitätsreserven.

Ziele der Stadtverdichtung

  • Optimierung der Nutzung städtischer Infrastruktur und
    Dienstleistungen
  • Minimierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs
  • Förderung von verträglicher Mobilität
  • Verbesserung des sozialen Zusammenhalts
  • Reduzierung der Klimaauswirkungen

Verdichtung sowie Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen konkurrieren um Raum, wenn sie nicht koordiniert werden. Die Verbesserung der Aufenthalts- und Lebensqualität, zum Beispiel durch Zugang zu öffentlichen und Grünflächen, erfordert auch Raum.

Positiver Trend

In den letzten 25 Jahren haben Grünflächen in den europäischen Städten um 38 % zugenommen, wobei 44 % der europäischen Bevölkerung derzeit in einem Umkreis von 300 Metern einen öffentlichen Park haben.

Ganzheitlicher Planungsansatz

Ein qualitativ hochwertiges, widerstandsfähiges Lebensumfeld in sich verdichtenden Stadtquartieren erfordert einen engagierten und ganzheitlichen Ansatz15. Viele Menschen sind betroffen, und Bürger*innen aus der gesamten Zivilgesellschaft, dem öffentlichen Sektor, der Wissenschaft und Wirtschaft können wertvolle Beiträge leisten.

Variationen ganzheitlicher Planungsprozesse gibt es in ganz Europa. Der schwedische Ansatz einer SymbioCity setzt beispielsweise einen Rahmen und Standards für eine multidisziplinäre nachhaltige Stadtplanung, die sich auf Engagement und Kapazitätsaufbau sowie auf die Co-Creation von Interessengruppen in Planungsprozessen konzentriert, und wird in vielen Ländern angewandt. Ein weiteres Beispiel ist der deutsche Prozess der Integrierten Stadtentwicklung, der die Beteiligung der Öffentlichkeit einschließt und mit nationalen Fördermitteln verbunden ist.

 

Neugestaltung eines Stadtquartiers – ein Entwurfsexperiment

Wie könnte ein typisches europäisches Quartier bis 2050 erfolgreich verdichtet werden? Wir haben ein Entwurfsexperiment durchgeführt, das veranschaulicht, wie ganzheitliche Planung und gezielter Klimaschutz sowohl der Wachstumsherausforderung als auch den Risiken zunehmender Hitzewellen, Dürren, Starkregenereignissen und Überschwemmungen begegnen können.

Die Situation im Jahr 2020

Unser Beispielquartier liegt an einem Fluss zentral in einer Stadt, die sich ursprünglich während der industriellen Revolution entwickelte. In den 1960er und 1990er Jahren wurden ein Wohngebäude und einige Werkstätten durch Wohnungen und ein großes stadteigenes Büro- und Verwaltungsgebäude ersetzt. Es wurde auch ein zweistöckiges Parkhaus gebaut, dennoch parken immer noch viele Autos im Innenhof des Gebäudes, in dem sich auch Geräteschuppen befinden.

Die Straßen wurden schrittweise für den Verkehr und zum Parken verbreitert, eine Straße neben dem Fluss und eine Stadtautobahn auf der anderen Seite des Flusses gebaut. Die Räume für Natur und Erholung wurden schrittweise reduziert. Der Fluss wurde kanalisiert, aber an seinen brach liegenden Rändern blieben einige Spuren der Natur erhalten.

Die Herausforderung für das Jahr 2050

Was ist, wenn doppelt so viele Menschen in diesem Quartier leben und doppelt so viele Arbeitsplätze untergebracht werden müssen? Die Ökosystemdienstleistung und der Umfang der Grünflächen müssen ebenfalls mindestens verdoppelt werden, um die Klimaanpassung und Widerstandsfähigkeit des Ökosystems zu gewährleisten. Schließlich muss auch die Lebensqualität verbessert werden, insbesondere durch den Zugang zu hochwertigen Innen- und Außenräumen.

Welche Lösungen gibt es?

Resilienz gegen Hitzewellen und Dürre

Im Jahr 2050 sind die Stadtquartiere verdichtet, vielfältig, lebenswert und widerstandsfähig. Selbst inmitten einer Dürre und Hitzewelle können sich die Nachbar*innen im Schatten ausruhen und Kinder im Park und in Springbrunnen spielen. Dies ist auf eine erfolgreiche Klimaanpassung zurückzuführen, die Hitzewellen und Dürreperioden bewältigt.

Resilienz gegen Starkregen und Hochwasser

Wir befinden uns im Jahr 2050 und seit einer Stunde regnet es stark. Die begrünten Dächer nehmen Wasser auf. Überschüssiges Regenwasser wird in das Becken geleitet, der den Senkgarten und den unterirdischen Wasserspeicher füllt. Uferböschungen schützen die Quartiere vor steigendem Flusswasser. Aufgrund der erfolgreichen Klimaschutzmaßnahmen kann das Quartier gleichzeitig dicht und lebenswert sowie widerstandsfähig gegen Niederschläge und Überschwemmungen sein.

Bilanzierung des Erfolgs für 2050

Können Verdichtung und Klimaresilienz zusammen funktionieren?

Das Experiment zeigt, dass durch eine nachhaltige und kluge Entwicklung, die durch gezielte Klimaschutzmaßnahmen unterstützt wird, tatsächlich eine Verdoppelung der Dichte möglich ist.

Es sind sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum Maßnahmen erforderlich. Der Bedarf an Privatraum pro Einwohner*in und der Gesamtraumbedarf pro Mitarbeiter*in kann durch verbesserten Zugang zu Gemeinschaftsräumen, flexiblere Gestaltung, intelligente Technologie, Telearbeit und geteilte Mobilitätsangebote um 20 % gesenkt werden. Der verfügbare öffentliche Raum wird vergrößert und umgestaltet, mit weniger Raum für platzraubende Privatwagen. Insgesamt nimmt die Wohnqualität, gemessen an der effektiv zugänglichen Fläche pro Einwohner*in, sogar zu. Die Notwendigkeit der Zersiedelung wird so verringert.

Auch die qualitative Analyse ist entscheidend für eine Bewertung des Entwurfs. Wir verwenden das Bewertungsinstrument ESTER16, um sicherzustellen, dass das Design ein breites Spektrum an Ökosystemdienstleistungen (z. B. den Schutz vor extremen Wetterbedingungen) und sozialen Auswirkungen (z. B. auf die physische Gesundheit) verbessert.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der Trend der Urbanisierung wird die Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten vorantreiben, selbst wenn die Herausforderungen im Kontext von COVID-19 Auswirkungen haben werden. Planer*innen aus vielen Verantwortlichkeitsbereichen konzentrieren sich aus wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gründen auf eine gezielte Stadtverdichtung.

Die Herausforderung, zusätzliche Wohnungen, Arbeitsplätze und Dienstleistungen in diesen städtischen Gebieten unterzubringen, wird durch die dringenden Erfordernisse der Klimakrise noch verschärft. Die Städte müssen neue Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen umsetzen. Wachstum, Klimawandel und der daraus resultierende räumliche Druck erfordern eine engagierte sowie zielführende Zusammenarbeit, Planung und Gestaltung, um Städte lebenswert zu machen.

Dieser Urban Insight-Artikel veranschaulicht Ansätze und Maßnahmen zur Bewältigung dieser Herausforderung. Mit Blick auf die Risiken durch zunehmende Hitzewellen, Dürreperioden, starken Niederschlägen und Überschwemmungen haben wir Lösungen für ein typisches Stadtquartier aufgezeigt, das gleichzeitig dichter, klimaresilienter und
lebenswerter werden kann. Der Ansatz kann weltweit angewandt werden.

Dichtere Städte müssen sich nicht verdichtet und beengt anfühlen. Nachbarschaften können durch die sozialen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, die Städte schaffen, gedeihen. Mit sorgfältiger Planung und der Anwendung von Ansätzen, z. B. durch die SymbioCity-Methode sowie inspirierende Zukunftsbilder, können sich Gemeinschaften mobilisieren und kreativ werden. Ebenso können widersprüchliche Raumanforderungen gelöst werden. Verdichtung und Flexibilität können Klimaresilienz und Lebensqualität verbessern und gleichzeitig vielfältige, bereichernde zwischenmenschliche Interaktionen unterstützen.

Empfehlungen

  • Beim Planen dichter urbaner Quartiere muss ein hochwertiger, attraktiver, inspirierender und sozial integrativer öffentlicher Raum oberste Priorität haben.
  • Ein qualitativ hochwertiges Netzwerk blau-grüner Infrastruktur ist entscheidend für die Bereitstellung grundlegender Ökosystemdienstleistungen und die Verbesserung der Lebensqualität in verdichteten Quartieren.
  • Qualitative Ziele und messbare Vorgaben für eine städtische blau-grüne Infrastruktur sind unerlässlich, um während der gesamten Entwicklung ausreichend Spielraum zu sichern. Informationen und Analysen zu den lokalen Auswirkungen des Klimawandels und den Spezifika des Ökosystems sollten Vorrang haben.
  • Die multifunktionale Nutzung des Raums ist von wesentlicher Bedeutung. Sorgfältiges Design in Kombination mit intelligenten Technologien kann zahlreiche Vorteile wie kühlenden Schatten, Wasserrückhaltung, Verdunstungskühlung, Raum für soziale Aktivitäten, Sicherheit und Schutz bieten.
  • Öffentliche und halböffentliche Räume sollten zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten und bei unterschiedlichem Wetter flexibel genutzt werden können.
  • Für gerechte, nachhaltige und belastbare Lösungen ist auch eine nachhaltige multidisziplinäre Zusammenarbeit mit besonderem Schwerpunkt auf einem breiten bürgerschaftlichen Engagement erforderlich. Visuelle und inspirierende Zukunftsbilder sind für eine erfolgreiche Beteiligung unerlässlich. Kontinuierlicher Einsatz über die Jahre hinweg verfeinert die Planung und Umsetzung, und stärkt die Widerstandsfähigkeit.

Weitere Einzelheiten zu den Schlussfolgerungen und Empfehlungen finden Sie im vollständigen Bericht, den Sie hier herunterladen können.

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