Photo Credit: Frank Heinen
Wie nachhaltig ist ein Bauwerk wirklich?
Ein Bewertungstool macht Nachhaltigkeit im Ingenieurbau messbar
Klimawandel, Ressourcenknappheit und steigende Umweltbelastungen stellen die Baubranche und insbesondere den Infrastrukturbereich vor große Herausforderungen. Nachhaltiges Bauen ist daher heute eine grundlegende Voraussetzung für zukunftsfähige Infrastrukturprojekte. Doch wie lassen sich ökologische und ökonomische Anforderungen im Ingenieurbau sinnvoll vereinen – und vor allem messbar machen?
Swecos Expert*innen aus dem Bereich Ingenieurbauwerke haben dafür den EcoBuild Evaluator entwickelt: ein praxisorientiertes Bewertungstool, das hilft, die nachhaltigste Lösung für komplexe Bauprojekte zu finden. Was genau hinter dem Tool steckt und wie es Planende sowie Bauherren konkret unterstützt, erklären Martin Ludwig, Bereichsleiter Ingenieurbauwerke West, und Sebastian Schultheis, Geschäftsfeldleiter Ingenieurbauwerke | Bau- & Projektmanagement, im Interview.
Warum ist nachhaltiges Bauen gerade im Bereich der Infrastruktur heute wichtiger denn je?
Sebastian: Nachhaltiges Bauen ist entscheidend, um Klimaziele zu erreichen und die Umwelt zu schützen. Die Infrastruktur ist ein wesentlicher Hebel, da sie ein großer CO2-Emittent ist. Planende und Bauherren tragen eine enorme Verantwortung, indem sie ganzheitliche und umweltfreundliche Ansätze wählen, die sowohl die Konstruktion als auch die langfristige Nutzung berücksichtigen.

Ihr habt kürzlich den EcoBuild Evaluator entwickelt. Was ist das und wie unterstützt er nachhaltiges Bauen im Ingenieurbereich?
Martin: Der EcoBuild Evaluator ist ein Vergleichstool für das Ingenieurwesen, das die nachhaltigste Lösung durch Variantenvergleiche ermittelt. Anders als bisherige Betrachtungen, die sich hauptsächlich auf Baukosten konzentrieren, berücksichtigt es die gesamte Lebensdauer eines Projekts und integriert Umweltkriterien. Somit entsteht eine ganzheitliche Bewertung, die für nachhaltiges Bauen unverzichtbar ist.
Was war der Auslöser für die Entwicklung des EcoBuild Evaluators und welches konkrete Problem im Ingenieurbau adressiert das Tool?
Martin: Die Entwicklung des Tools wurde durch eine Kundenanfrage nach der nachhaltigsten Lösung im Ingenieurbau ausgelöst. Inspiriert von internationalen Sweco-Lösungen, haben wir dann in Deutschland dieses maßgeschneiderte Tool entwickelt, das sowohl ingenieurtechnisch als auch anwenderfreundlich ist und dabei auf spezifische Anforderungen unserer Projekte zugeschnitten wurde.

In welchen spezifischen Projekten oder Szenarien kann der EcoBuild Evaluator besonders effektiv eingesetzt werden?
Sebastian: Der EcoBuild Evaluator ist besonders in Planungsprojekten im Brückenbau und in frühen Leistungsphasen effektiv. Er kann bereits in Machbarkeitsstudien eingesetzt werden, um nachhaltige Optionen von Anfang an in die Planung zu integrieren und die besten Gesamtlösungen zu identifizieren.
Welche Kriterien berücksichtigt der EcoBuild Evaluator? Warum sind diese für die Bewertung nachhaltiger Infrastrukturprojekte entscheidend?
Sebastian: Der EcoBuild Evaluator berücksichtigt sechs Hauptkriterien:
- Umwelt
- Mensch
- Baukultur
- Suffizienz
- Ressourcen
- Klimaschutz
Diese Kriterien sind wesentliche Bausteine für die Bewertung, da sie eine ganzheitliche Betrachtung ermöglichen und sicherstellen, dass Projekte nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch nachhaltig sind.
Der EcoBuild Evaluator hilft dabei, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren
Inwiefern fördert der EcoBuild Evaluator auch Suffizienz und Bestandserhalt statt Neubauprojekte?
Martin: Der EcoBuild Evaluator ist offen für kreative Lösungen der Planenden und Bauherren, die den Bestandserhalt priorisieren. Er hilft dabei, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, indem er bestehende Strukturen bewahrt und nachhaltige Alternativen fördert. Dabei kann z.B. auch die Integration von Bestandsbauteilen in Ersatzneubauten berücksichtigt werden.
Wie trägt der EcoBuild Evaluator dazu bei, Biodiversität und Umweltbelange systematisch in die Planung zu integrieren?
Sebastian: Durch den Einsatz in frühen Leistungsphasen und die ganzheitliche Betrachtung integriert der EcoBuild Evaluator umweltspezifische Aspekte wie Biodiversität. Beispielsweise wird die Flächenreduktion positiv bewertet, wodurch betroffene Gebiete zu potenziellen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere werden. Darüber hinaus berücksichtigt das Tool die Nutzung von recycelten Baustoffen und die Bauzeit, um die CO2-Bilanz zu optimieren und negative Umweltauswirkungen zu minimieren.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke in dieses praktische Tool. Möchtet ihr am Ende noch irgendetwas ergänzen?
Sebastian: Gerne. Es ist wichtig, dass das Bauwerk von den Nutzer*innen angenommen wird und wir das bestmögliche Ergebnis für alle erzielen können. Der EcoBuild Evaluator fördert nicht nur ein optimiertes Ergebnis über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks, sondern auch kreative und zukunftsorientierte Lösungen. So haben wir z. B. bei der Rheinbrücke Schierstein einen Radweg angehängt, der den Nutzer*innen einen hohen Mehrwert bietet.