Strukturwandel im Rheinischen Revier
Wie Bürgewald vom Geisterdorf zum nachhaltigen Ort der Zukunft werden will – Ein Interview mit Projektleiterin Susanne Tettinger
Hallo Susanne, du hast das Projekt Bürgewald für Sweco mit betreut. Kannst du uns einen Überblick geben? Was ist so besonders daran?
Der Ort Morschenich-Alt ist das erste von insgesamt sechs früheren Braunkohle-Dörfern, das im Rahmen des vorzeitigen Kohleausstiegs 2030 wiederbelebt werden soll. Vor fast zehn Jahren hatte der Energieversorger RWE den Ort aufgrund des Tagebaus Hambach gekauft, die Bewohner*innen wurden umgesiedelt. Infolge des Kohleausstiegs konnte die Gemeinde das Dorf im September 2024 zurückkaufen und den Ort in „Bürgewald“ umbenennen. Damit bietet sich jetzt die einzigartige Gelegenheit, ein „Dorf neu zu denken“ und innovative Konzepte umzusetzen. Ich habe mich sehr gefreut, Teil dieses zukunftsweisenden Projektes zu sein und unsere Expertise für die Wasserwirtschaft miteinbringen zu können.
Bürgewald ist übrigens auch eines der zehn Startprojekte der Internationalen Bau- und Technologieausstellung (IBTA), die in den Jahren 2025 bis 2035 im Rheinischen Revier durchgeführt wird.

Welche Maßnahmen werden für Bürgewald ergriffen, um eine nachhaltige Entwicklung der Gemeinde zu gewährleisten?
In Bürgewald ist zukünftig eine klimaschützende, flächensparende und ressourcenschonende Bauweise vorgesehen. Ziel ist es, die geschichtsträchtige Gemeinde in eine nachhaltige Zukunft zu führen und ein lebendiges Umfeld für die ehemaligen Bewohner*innen sowie die Neubürger*innen zu schaffen. Momentan wird ein dynamischer Masterplan erstellt, um die Entwicklung des Ortes zu steuern und die vielfältigen Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Technologie und Umwelt zu berücksichtigen. Der Masterplan entsteht in engem Austausch mit der Öffentlichkeit und verschiedenen Akteuren im Rheinischen Revier.
Welche Aufgaben habt ihr für Sweco bei dem Projekt übernommen?
Wir haben das innovative Projekt von Dezember 2023 bis November 2024 begleitet und unter anderem ein fachplanerisches Zukunftsbild für die Wasserwirtschaft sowie die technische und wirtschaftliche Konzeption der Wasserinfrastruktur für den Ort Bürgewald erarbeitet. Diese Konzepte bauen auf den Ergebnissen der Zukunftswerkstätten auf, die unter unserer Mitwirkung im Januar und Februar 2024 stattfanden. Wir haben auch fachliche Impulse für die Erstellung des Masterplans erarbeitet.
Für uns als Berater*innen war es eine wirklich interessante, aber auch herausfordernde Aufgabe. Denn sowohl der Struktur- als auch der Klimawandel wirken sich auf den Transformations- und Anpassungsbedarf wasserwirtschaftlicher Infrastrukturen besonders stark aus.
Zukunftswerkstätten für Bürgewald – nachhaltige Wasserinfrastruktur
Kannst du uns mehr über die Zukunftswerkstätten erzählen?
Die Zukunftswerkstätten Bürgewald stehen für einen innovativen Ansatz zur Gestaltung einer nachhaltigen und umweltbewussten Zukunft. In einer Welt, die neben dem Strukturwandel in der Region auch zunehmend mit den Herausforderungen des Klimawandels, des Verlusts der Biodiversität und der Energiewende konfrontiert ist, war diese Experimentierfläche eine innovative Plattform, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und die Entwicklung nachhaltiger Lebensräume voranzutreiben. Sie eröffneten neue Perspektiven und zeigten, dass durch die Bündelung von Expertise eine dynamische Bewegung entstehen kann, die das Potenzial hat, weit über die Grenzen von Bürgewald hinaus Veränderungen anzustoßen.
Wassersensible Dorfentwicklung
Kannst du uns erklären, welche Rolle die wassersensible Dorfentwicklung bei dem Projekt in Bürgewald spielt?
Wir waren in Bürgewald für die Strategieerarbeitung einer wassersensiblen Dorfentwicklung zuständig, die die multifunktionale Nutzung der Ressource Wasser ebenso einbezieht wie die Herstellung naturnaher Wasserkreisläufe. Wir wollen das Wasser in Bürgewald sichtbar und erlebbar machen und einen ausgeglichenen Wasserhaushalt erreichen, um die Lebensqualität und die ökologischen Bedingungen vor Ort zu verbessern. Unser Ziel war es, einen Ort der Zukunft zu gestalten, der sowohl den Bedürfnissen heutiger Generationen gerecht wird als auch künftige Herausforderungen meistern kann.
Welche innovativen Ansätze zur Wasserinfrastruktur habt ihr für Bürgewald entwickelt?
Unser ideales Zukunftsbild in Bezug auf den Umgang mit der Ressource Wasser basiert auf vier wesentlichen Leitzielen:
- Herstellung naturnaher Wasserkreisläufe,
- Netto-Null-Versiegelung,
- multifunktionale Nutzung der Ressource Wasser (in Bezug auf die enthaltenen Nährstoffe, den Energieinhalt und das Wasser selbst)
- wassersensible Dorfentwicklung.
Um leistungsfähige Neuerungen zu implementieren sind sowohl umfangreiche technische, rechtliche und wirtschaftliche Kenntnisse als auch kreative und partizipationsfördernde Arbeitsweisen erforderlich. Gemeinsam mit dem ISCE | Institute of Smart City Engineering der Fachhochschule Aachen sowie dem FiW (Forschungsinstitut für Wasserwirtschaft und Klimazukunft an der RWTH Aachen e. V.) wollen wir dazu beitragen, Bürgewald durch die Einbindung besonders zukunftsweisender und innovativer Lösungen effizient (multifunktional), technologisch fortschrittlich und CO2- neutral zu gestalten. Dabei sollen modulare, flexible, technisch bewährte und gesellschaftlich akzeptierte Technologien eingesetzt werden.
Vielen Dank für die Einblicke in dieses spannende Projekt!